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Beitrag vom 29.09.2008
Amanda Palmer – Who killed Amanda Palmer
Tatjana Zilg
Auf dem lang erwarteten Solo-Album schlägt die feminine Hälfte des Bostoner Punk-Kabarett-Duos kriminalistischen Spürsinn und melodramatische Töne an. Eigentlich sollte es nur eine kurze …
… Stippvisite in das musikalische Schaffen ohne ihren langjährigen Dolls-Mitaktivisten Ben Viglione werden. Aber nach einem überraschenden Anruf des renommierten Singer/Songwriters und versierten Multiinstrumentalisten Ben Folds, der sich für die Produktion anbot, kniete sie sich anderthalb Jahre lang in die Arbeit an ihren eigenen Songs. In einem Studio fernab vom Bostoner und sonstigen Punk-Szene-Treiben, nämlich im country-legenden-umwobenen Nashville, gewannen die Piano-rock-explosiven Songs ihre Gestalt.
Denn Amanda Palmer ist die Pianistin bei den Dresden Dolls, und was tut eine Pianistin, wenn sie sich für ein eigenes Projekt temporär von ihrem Drummer abseilt? Sie verlässt sich ganz und gar auf die raumfüllende Kraft des Instrumentes, das wie kaum ein anderes in den unterschiedlichsten Sparten der Musik einen wichtigen Part einnimmt. Auf "Who killed Amanda Palmer?" stehen die Piano-Anschläge stets im Mittelpunkt und begegnen nuancenreichen Arrangements, oft mit Streicher-Variationen, wenig Gitarren und Drums. Dennoch klingen die Songs ungemein rockig und energetisch, spiegeln die ganze Palette an Emotionen, die das Leben bereit hält. Oft tragisch, aber auch aggressiv, nach vorne stürmend und zugleich optimistisch rebellisch kommen sie daher und erkunden die vom mysteriösen Albumtitel gestellte Frage nach dem Täter.
Noir und surreal zeigt Amanda Palmer sich gern und da fällt es nicht schwer zu erraten, dass sie ein Faible für den Altmeister des etwas anderen Kinos - David Lynch - hegt.
"Der Albumtitel ist natürlich in hohem Maße von David Lynch inspiriert. Alles hat eigentlich als eine Art Insiderwitz angefangen, um dann rasend schnell ein völlig unvorhergesehenes Eigenleben zu entwickeln! Ich fand es ungeheuer spannend, dabei zuzuschauen, wie sich dieses Projekt von Tag zu Tag zu einem gigantischen, epischen Monster entwickelte!" sagt Amanda Palmer.
Dabei legt sie ihre Songs nicht so melancholisch traurig an wie die Soundtracks des Regisseurs, der mit seinen Filmen Publikum und Kritik jedes Mal erneut vor undurchschaubare Rätsel stellt, sondern gibt ihnen ein frisches, fast munteres Esprit. Die Piano-Dominierung garantiert dennoch gewaltige Gänsehautschauer und eine Aufmerksamkeit erregende spooky Grundstimmung. Dafür trägt auch die Short Story zu dem turbulenten Geschehen nach Amanda Palmers Ableben auf dem Backcover der CD bei, getextet vom Kult-Comic-Autor Neil Gaiman (unter anderem "The Sandman").
Los geht das Album mit dem Ohren-Stürmer "Astronaut", der beweist, wie bombastisch und zart zugleich Piano-Spiel sein kann. Amandas Stimme greift mit unglaublicher Kraft jeden einzelnen Ton perfekt auf und wird nun auch solo zum unvergesslichen auditiven Qualitätsmerkmal für einen einzigartigen Musikstil, der die Kurt Weill´schen Moritaten der Zwanziger Jahre, das Rebellentum der Punk-HeldInnen späterer Jahrzehnte, die Ausdrucksstärke zeitlosen Kabaretts und das unvergleichbare Temperament guter Rockmusik perfekt vereint. Diese Power hält sie in allen Songs des Albums, wobei sie nicht vergisst, Ruhepole ("Ampersand" und "Another Year") zu setzen, die eine Atempause von der manches Mal doch sehr hektischen Gesangsakrobatik zulassen.
Weiterhören: Tegan And Sara und The Dresden Dolls.
Amanda Palmer im Netz:The Dresden Dolls und auf Myspace.
AVIVA-Tipp: Im verflixten siebten Jahr der Dresden Dolls beglückt Amanda Palmer das Musikpublikum mit einer Einladung zu einem Ausflug in ihre ganz eigene Welt, wo sie elegant zwischen Gegensätzen und Widersprüchlichkeiten dahintänzelt, eindringliche Piano-Harmonien hervorzaubert und skurrile Geschichten in spannende Song-Kapitel wandelt.
Amanda Palmer
Who killed Amanda Palmer
Label: Roadrunner, VÖ September 2008